Freizeitkonzept für Groß und Klein
Zerstörung in Sekundenschnelle
Was es für einen Obstbauern bedeutet, wenn es hagelt
Wurdet ihr schon einmal mit einem Eiswürfel abgeworfen? Oder wurdet ihr schon mal mit hundert Eiswürfeln abgeworfen? Mit voller Wucht? Und jeder Eiswürfel hat etwa ein Drittel eurer Körpergröße?
So ist es für unsere Beeren, wenn es hagelt. Eis prasselt mit in Höchstgeschwindigkeit vom Himmel und die Pflanzen sind ihm schutzlos ausgeliefert.
Genau das ist vor drei Wochen bei uns in Wolkersdorf passiert: Den ganzen Tag war es schwül-heiß gewesen und für den Abend waren starke Gewitter gemeldet. Was für die meisten einfach nur eine willkommene Abkühlung war, hieß für uns etwas ganz Anderes: Unsere Beeren waren in Gefahr. Wenn es hagelte, könnte die Arbeit eines ganzen Jahres innerhalb von wenigen Minuten einfach komplett dahin sein. Wie wenn der Computer abstürzt, nachdem man stundenlang an einem Dokument gearbeitet hat und nichts gespeichert wurde. Und das jeden Tag aufs Neue. Und ohne, dass man dafür Geld bekommt.
Gegen fünf Uhr zogen die Wolken auf, der Donner grollte und alles wurde dunkler, als hätte man das Licht gedimmt. Die ersten Graupel fielen und die Blitze zuckten. Unser Obstbauer Martin rettete sich gerade noch ins Auto und dann fing er an: Der Hagel. Die Körner prasselten ohrenbetäubend laut auf das Dach.
Aber von vorne:
Wie entsteht eigentlich Hagel?
Hagel entsteht durch Gewitterwolken, die meistens im Sommer auftreten, wenn ein großer Temperaturunterschied zwischen der Luft direkt über dem Boden und der Atmosphäre besteht.
Während es am Boden warm ist und wir schwitzen, herrschen in bis zu elf Kilometern Höhe eisige Minusgrade. In solchen Bedingungen können starke Aufwinde innerhalb der Wolke entstehen, was für die Bildung von Hagel entscheidend ist.
Am warmen Erdboden verdunstet Wasser, das dann in der kühlen Atmosphäre kondensiert. Durch die Aufwinde werden die Wassertröpfchen höher und höher getragen, bis sie zu Eiskristallen gefrieren. Die schweren Eisteilchen fallen aufgrund der Schwerkraft nach unten, werden aber immer wieder von den Aufwinden nach oben geschleudert. Bei jedem Zyklus wächst die Eisschicht, und die Körner werden größer, bis sie schließlich zu schwer werden, um von den Aufwinden getragen zu werden. Dann fallen sie als Hagel auf den Boden. Das größte Hagelkorn, das je gesehen wurde, maß fast 20 cm im Durchmesser und wog 875g – also mehr als ein dreiviertel Kilogramm!
Eine Eigenheit von Hagel ist es, dass er auf relativ begrenzten Flächen fällt. Es kann also sein, dass der vordere Teil eines Feldes vom Hagel komplett zerstört wurde, während der hintere Teil gänzlich unberührt ist.
Wieso ist Hagel so gefährlich?
Hagelt es, schlagen Eisbatzen auf die Pflanzen ein. Trifft ein Hagelkorn dann eine Frucht, z.B. eine Erdbeere, kann man das mit einem blauen Fleck oder sogar einer offenen Wunde beim Menschen vergleichen. Die Erdbeere verbräunt dann an der Stelle, an der sie getroffen wurde (bildet also „Schorf“), und wächst nicht mehr richtig weiter.
Findet der Hagel während des vollreifen Zustands einiger Beeren statt, heißt es schnell sein: Die angeschlagenen Beeren müssen dann sofort herausgepflückt werden, sie können nämlich im angeschlagenen Zustand schnell zu faulen beginnen. Verkaufen kann man sie zwar nicht mehr, aber sie lassen sich noch für unsere Marmelade und Shakes verwenden.
Nicht nur die Frucht an sich, sondern auch die Blätter und der Stamm der Pflanze kann aber vom Hagel geschädigt werden. Fehlen von den Blättern z.B. 30%, kann die Assimilationsleistung beeinträchtigt sein. Die Pflanze kann dann nicht mehr den nötigen Zucker herstellen, der die Beeren so aromatisch macht.
Trifft der Hagel auf Heidelbeer- und Himbeerpflanzen, kann es sein, dass das Fruchtholz beschädigt wird und dann als Eintrittspforte für Pilze und Schädlinge dient. Auch dann heißt es, schnell an die Arbeit zu gehen und die betroffenen Triebe herausschneiden, damit die Pflanze nicht stirbt.
Mit diesem Wissen sitzt Martin im Auto, während der Hagel auf unsere Felder prasselt. Als es dann endlich aufhört, geht er mit einem mulmigen Gefühl im Bauch aufs Feld. Überall liegt Eis und zwischen den Reihen sieht man abgeschlagenen Erdbeeren, grüne Heidelbeeren und kaputte Blätter samt ihrer Zweiglein liegen. Ein verheerendes Bild.
Am Abend zuhause ist die Stimmung sehr gedrückt. Ist die ganze Arbeit jetzt dahin? Kann die Ernte weiterlaufen? Mit diesem Gefühl heißt es erstmal: Schlafen gehen und auf das Beste hoffen, während man das Schlimmste erwartet.
Am darauffolgenden Tag fahren Martin und Leo auf die Felder, um sich den Schaden anzusehen. In Rückersdorf und Fürth sieht es gut aus, hier hat es nicht gehagelt. Aber Wolkersdorf hat es schlimm getroffen: Etwa die Hälfte der Erdbeeren ist beschädigt oder ganz heruntergeschlagen.
Sie stehen zwischen den kaputten Pflanzen und toten Erdbeeren. „Das ist wirklich zum Heulen“, sagt der erfahrene Obstbauer Leo kopfschüttelnd. „Es kann dich immer treffen.“
Beide sind sehr niedergeschlagen, aber dennoch heißt es: Positiv denken. „Immerhin steht noch die Hälfte“, sagt Martin.
Die Ernte sollte trotzdem gut klappen, denn genügend Beeren haben überlebt. Und das heißt: Auch dieses Jahr gibt es wieder beste Beeren von daheim.